Redebeitrag JUSOS auf Unfugbleibt Kundgebung

Liebe Mitstreiter*innen von Unfug, 

Wir stehen gemeinsam hier und trotz der Abstandsregelungen vereint uns der Gedanke, dass die Räumung dieses Wohnprojekts nicht gerecht ist. Ganz besonders nicht in Zeiten, in denen das eigene Zuhause ein noch viel wichtigerer Rückzugsort geworden ist.

Dass alle ein Recht auf Wohnraum, dass jede*r ein Recht auf ein Zuhause hat, ist für uns Jungsozialist*innen Grundpfeiler unserer politischen Überzeugung. Dementsprechend kritisieren wir die Wohnungsknappheit und überteuerten Mieten in Lüneburg wie auch anderen Städten. Doch wenn der Staat nicht ausreichend handelt, um günstiges Wohnen zu ermöglichen, brauchte es kreative Projekte wie Unfug, die neue Wohnformen ermöglichen und dabei noch Diversität zur Selbstverständlichkeit machen. WIr werden euch nun kurz erzählen, warum wir nicht verstehen können, wie Unfug zu einem so umstrittenen politischen Thema geworden ist.

Als wir im Januar das Wohnprojekt besuchten, hatten wir bereits unsere Solidarität mit Unfug verkündet, doch für mich, die gerade erst aus ihrem Auslandssemester zurückgekehrt war, war das Thema zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich unbekannt. Am Rande hatte ich in Whatsapp Gruppen die Thematik verfolgt. Ich verstand die Aufregung nicht so ganz, aber fand wichtig, dass wir uns mit linken Freiräumen solidarisch zeigten. 

Als ich dann vor Ort das Projekt besuchte und mit den Bewohner*innen sprach, wurde mir erst klar, was für ein völlig falsches Bild ich von Unfug gehabt hatte. Auf Basis der Berichterstattung und den aufgeheizten Debatten hatte ich mir uninformierter weise vorgestellt, dass das Projekt den Stadtbewohner*innen, die nicht im politisch linken Spektrum aktiv sind, womöglich auf Grund einer unklaren rechtlichen Lage oder mangelndem Bezug zu den Bewohner*innen ein Dorn im Auge sein könnte. Ich dachte an ein paar Studierende, deren Einsatz für vergünstigten Wohnraum ich für lobenswert hielt, aber vorurteilsbehaftet befürchtete, dass sie mit guten Intentionen ein wenig über das Ziel hinausgeschossen waren.

Umso überraschter war ich, als ich dann tatsächlich dort war, ein naturnahes und einladendes Häuschen betrat und die gemütlichen und modernen Bauwagen besichtigte. Hier hatten sich offenkundig Menschen mit viel Liebe dafür eingesetzt, Raum für bezahlbares und gemeinschaftliches Wohnen zu schaffen, wie es in unserer heutigen Gesellschaft leider viel zu selten geworden ist. 

Die Überraschung hielt an, als ich mehr und mehr über das Projekt erfuhr. Dass die Bewohner*innen sich offensichtlich größte Mühe gegeben hatten, das Projekt rechtlich sichere Füße zu stellen, passte so gar nicht in das Bild, dass ich mir aus Artikeln, Äußerungen und meinen eigenen Vorurteilen gebildet hatte.

Wie ihr alle sicherlich wisst, beinhaltet das Konzept dieses Projekts, dass die Bewohner*innen das Grundstück gekauft haben. Die Bauwagen sind dabei ein kreativer Weg, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, der das Projekt finanziert, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln. Dass die Bemühungen der Initiator*innen, das Projekt auf finanzielle, rechtliche und nachhaltige Füße zu stellen, so wenig durch ein Entgegenkommen honoriert wird, können wir Jusos einfach nicht verstehen.

Mein zweiter Irrtum war, dass es sich bei den Bewohner*innen nicht um ein paar Student*innen handelte. Natürlich bin ich selbst Studentin und weiß um die Bedeutung von bezahlbarem Wohnraum für mich und meine Kommiliton*innen. Auch damit Student*innen sich nach ihrem Abschluss eine langfristige Perspektive in Lüneburg vorstellen können, ist günstiger Wohnraum essentiell.  Und die Wohnungsknappheit führt ja nicht nur dazu, dass junge Menschen die Stadt verlassen. Sie fördert auch die Ansammlung von reichen Menschen in den beliebten Vierteln, während diejenigen, die finanziell schlechter aufgestellt sind in beliebteren Brennpunkten zurückbleiben. Projekte wie Unfug können diesen Entwicklungen entgegenwirken indem sie Gemeindearbeit in diesen Stadtteilen leisten. 

Aber ich war eigentlich bei den Bewohner*innen. Denn in der Tat sind einige Student*innen, was ja an sich auch erstmal nicht verwerflich ist. Doch darüber hinaus vereint Unfug Menschen jeden Alters und Berufs, auch Inklusion wird bei Unfug groß geschrieben. Unfug ist somit ein beispielhafter Vorreiter in Sachen gemeinschaftliches Wohnen. Natürlich muss nicht jede*r so wohnen wollen. Aber wir sollten diejenigen dabei unterstützen, die es tun! 

Aus den genannten Gründen ist für uns Jusos absolut unverständlich, warum diesem Projekt so viele Steine in den Weg gelegt werden. Ich möchte euch einfach nur ans Herz legen, Unfug, sobald die Umstände es wieder zulassen, doch selbst einmal einen Besuch abzustatten. Ich kann euch versichern, dass man euch mit einer Tasse Tee und guten Argumenten empfangen wird.

Ich möchte noch einmal auf die aktuelle Krisensituation zurückkommen. Wie die Wohnungslosigkeit der Bewohner*innen zu diesen Zeiten mutwillig in Kauf genommen werden kann, ist für uns absolut unbegreiflich. Der Räumungsbeschluss muss ausgesetzt werden. In dieser Zeit sollte endlich ein konstruktiver Dialog gesucht werden, der sich mit Lösungsfindung beschäftigt, die den Fortbestand des Projektes sichern!

Aber auch unabhängig von der derzeitigen Lage, können wir nicht nachvollziehen, warum dieses Projekt für so viel Diskussion und Spannungen sorgt. Es gibt genug Ungerechtigkeiten, an denen man sich Herausforderungen und Arbeit schaffen kann. Wir bitten die Stadtverwaltung daher, das Vorgehen gegen das Wohnprojekt einzustellen und fordern sie auf, sich mit Angelegenheiten auseinander zu setzen, die zu einem positiven Wandel in der Stadt Lüneburg führen können. Denn eins ist klar: Die Räumung von Unfug wäre grober Unfug.

Wir danken allen, die gemeinsam hier für den Erhalt des Wohnprojekts Unfug stehen!

Dankeschön!