Michèl Pauly (MP): Ola,jetzt finde ich endlich Zeit euch zu antworten, hoffe es ist noch nicht zu spät. Aber wir kennen uns ja seit einigen Jahren ganz gut und eigentlich kennt ihr auch meine Positionen. Aber zu euren Fragen:
- Wie stehen Sie zum Leben in alternativen Wohnkonzepten und dem Leben in Bauwagen / Tiny Houses?
MP: Alternative Wohnformen gehören für mich zu einer lebendigen Stadt dazu. Gerade gemeinschaftliche Wohnprojekte haben für unsere Stadt einen Drittnutzen. Sie bedeuten stärkere soziale Gemeinschaften, kulturelle und politische Vielfalt und, in Anbetracht der globalen klimatischen Herausforderung und der begrenzten Ressource „Platz“ in der Stadt, bedeuten gemeinschaftliche Wohnformen auch regelmäßig weniger Flächenverbrauch für mehr BewohnerInnen. Daher will ich solche Wohnformen, etwa durch städtebauliche Verträge bei Vergaben oder in der Bauleitplanung, privilegieren. Gerade solche Wohnprojekte die Rendite-Interessen ausschalten können und daher nachhaltiger Wirtschaften als kommerziell vermieteter Raum. Dies betrifft übrigens private Baugruppen, Tiny Houses aber auch den „klassischen“ Genossenschaftssektor gleichermaßen.
Für mich sollten Tiny Houses überall dort Platz finden, wo regulärer Geschosswohnungsbau ausscheidet aber durch keine oder wenig zusätzliche Versiegelung Wohnraum hergestellt werden kann. Tiny Houses also in die kleinen Baulücken, auf die umgenutzte Parkplatzfläche statt ein „Baugebiet Tiny Houses“ wie es (leider) jüngst von der SPD eingebracht wurde. Ganz konkret schwebt mir ein Areal vor, das ich euch mal unter „Tiny Houses.jpg“ in den Anhang gepackt habe. Weder will ich sagen das ist das beste denkbare Areal noch will ich auch nur im entferntesten sagen, das sei das einzige, aber um zu zeigen wo ich mir Räume für Tiny Houses in Lüneburg vorstelle. Ich weiß noch nicht einmal, ob Erschließung und Senkungsgebiet dort Tiny Houses zulassen, aber ich würde genau solche Orte auf ihre Gängigkeit für Tiny Houses hin prüfen wollen.
Der markierte Platz gegenüber der Sülzwiesen ist heute ein Schotter-Parkplatz und unbewirtschaftet. Soll Lüneburg den motorisierten Individualverkehr verdrängen sollte es das nicht mehr geben und als gebührenpflichtiger Parkplatz genügen die Sülzwiesen aus. Daher sollten solche Parkplätze, die auch noch Parksuchverkehre erzeugen, weg. Der Untergrund ist womöglich nicht für den langfristigen Geschosswohnungsbau geeignet (potentielles Senkungsgebiet). Hier will ich prüfen, ob nicht Tiny Houses privilegiert Platz finden, zentrumsnah, grün. Und von solchen zukünftigen Ex-Parkplätzen gibt es mehr in Lüneburg, jedenfalls wenn eine Ratsmehrheit mir da folgt.
Kommentar Wohnprojekt Unfug (WU): Lieber Michel, vielen Dank für deine ausführlichen Antworten.
Wir teilen die Ansicht, dass alternative Wohnformen selbstverständlich zum Stadtbild gehören. Alternative Wohnformen stehen nicht in Konkurrenz zum sozialen Wohnungsbau, sondern ergänzen diesen. Bauland gehört an Baugruppen mit klugen Ideen und nicht an Investoren verkauft.
Wir begrüßen die Ideen für Standorte für Bauwägen bzw. Tiny Houses und sind uns sicher, dass sich dafür interessierte Personen finden würden. Wir als Wohnprojekt hoffen auf weitere Wohnprojekte mit denen wir uns treffen, vernetzten und von denen wir lernen können.
- Wie werden sie als OB*in alternative Wohnkonzepte (nachhaltig bezahlbar) aktiv fördern und begünstigen?
- Welche Rolle haben Wohnprojekte in Ihrem Konzept zur Stadtentwicklung Lüneburgs?
MP: siehe Antwort oben. Privilegierungen bei Vergaben die nicht nach dem Höchstbieterverfahren ablaufen, wären hier ein Weg.
- Wie sehen sie die konkreten Forderungen von Unfug nach einer sofortigen Duldung und einer langfristigen F-Plan-Änderung mit Bauwagen auf dem bestehenden Grundstück?
- Was werden Sie als OB*in tun, um das Wohnprojekt Unfug inkl. der Bauwagen (siehe Zeichnung) rechtlich abzusichern?
MP: Ihr wisst ja, dass dieses Gutachten von uns und federführend von mir in Auftrag gegeben wurde. Insofern wisst ihr, dass ich dieses Gutachten kenne, es ernst nehme und die Lösungsmöglichkeiten zur rechtlichen Absicherung von Unfug sehe und gehen will. Daher haben wir uns als linke ja bereits für ein entsprechendes Bauleitplanverfahren eingesetzt. Im Gutachten wird klar gesagt, was der Weg ist: Aufstellungsbeschluss und dann – nach Abwägung der anderen berechtigten Interessen wie Naturschutz, Boden, Siedlungsstruktur – sollte eine Mehrheit im Rat hier Rechtssicherheit schaffen. Richtig ist zweifellos, dass die Wohnnutzung nicht dem aktuellen B-Plan entspricht. Denn es gibt schlichtweg keinen. Daher ist das Grundstück Außenbereich mit den euch bekannten Restriktionen. Darauf stellte ja der Oberbürgermeister allzu oft ab. Aber die Kommune hat hier den maßgeblichen Gestaltungsspielraum. Der Rat der Stadt ist Träger der Bauleitplanung. Alle Argumente des jetzigen Oberbürgermeisters und sein berufen auf das Verwaltungsgericht, wonach Unfugs Bauwägen nicht legal bewohnt werden dürfen, sind absurd vor dem Hintergrund, dass Rat und OB genau die Institution sind, die diese Legalisierung durch Bauleitplanung herstellen kann. Zu diesem Ergebnis kommt sowohl Dr. Behrens als auch die maßgeblichen Mitarbeiter der Bauverwaltung, wie die mir bekannte Akte (ich habe dazu Akteneinsicht genommen) bestätigt.
Zu dem Unfug-Gelände, aber da erzähle ich euch auch nichts Neues, gibt es außerdem ja eine Vorgeschichte. Trotz Außenbereich wurde jahrzehntelang eine Wohnnutzung geduldet. Mehr noch und ohne bestehende Bauleitplanung oder auch nur den Versuch dazu, wurde vom Vorbesitzer ein Anbau in einer Bauvoranfrage angefragt und bestätigt. Von daher gab es Seitens der Verwaltung effektiv eine Duldung der Wohnnutzung auf der Fläche. Als mit Unfug mutmaßlich politisch unliebsame BewohnerInnen einzogen, veränderte sich dieses Verwaltungshandeln und zwar ziemlich willkürlich. Nachdem – dem Vernehmen nach war dies ein SPD-Ratsherr – Unfug nunmehr als mutmaßlich illegale Siedlung im Außenbereich gemeldet wurde, wurde unter großem Aufwand das Verwaltungsseitige Handeln daraufhin ausgerichtet, das Projekt zu zerstören. Dabei wurde, ich behaupte auch aus Gründen der Profilierung, nicht davor Halt gemacht Familien ihr Zuhause zu nehmen und sie der Gefahr der faktischen Obdachlosigkeit auszusetzen. Hier wäre eine Duldung bis zum Ende der von Unfug erwünschten Bauleitplanung angezeigt und richtig gewesen. So geschieht dies übrigens zigfach im Stadtgebiet, wo naturgemäß nicht immer 1:1 nach B-Plan gebaut wird.
Eine F-Plan-Änderung halte ich aufgrund der Aktenlage für zweitrangig. Der aktuelle F-Plan auf diesem Grundstück entspricht ohnehin nicht der tatsächlichen Nutzung, der Plan ist außerdem so alt das seine Wirksamkeit für die Bauleitplanung im Detail höchst fraglich ist. Tatsächlich, so auch der Gutachter, dürfte es genügen mit der ohnehin anstehenden Aktualisierung des F-Plans die tatsächliche Nutzung (Wohnnutzung ohne Siedlungscharakter) darzustellen. Ich halte eine Änderung des B-Plans aber auch derzeit für möglich.
Eine dauerhafte Duldung wäre für mich derzeit nicht mehr das Mittel der Wahl, da ich euch nach den Ereignissen der letzten Jahre ganz ungern der politischen Willkür künftiger Verwaltungen aussetzen will. Von daher: Aufstellungsbeschluss und B-Plan ändern. Ich halte es für möglich, dass der neue Rat dies auch genau so machen wird, vorausgesetzt es gibt keine Mehrheit mehr für CDU-SPD-AfD-FDP. Denn diese ziemlich verhängnisvolle Abstimmungskoalition hat ihren politischen Unwillen erklärt, hier durch Bauleitplanung Rechtssicherheit herzustellen. Dabei sagt es einiges über den Zustand der SPD in der Stadt aus, dass ich leider davon ausgehen muss, dass auch künftig keine Scheu bei der SPD bestehen dürfte, mit einer Partei der extremen Rechten zusammen Mehrheiten zu erzeugen.
Ich wünsche euch viel Erfolg, ich wünsche Lüneburg eine progressive Ratsmehrheit und bedauere, derzeit nicht persönlich bei euch sein zu können. Bald mal wieder.
soldiarische Grüße
Michèl Pauly
WU: Für die Beschreibung dieser Situation finden wir nur ein Wort: absurd. Danke für die Zusammenfassung.
Die Lösungsvorschläge gehen wir gerne alle mit. Wir als Unfug haben mit den benannten Fraktionen schlechte Erfahrungen gemacht – allein die GRÜNEN und DIE LINKE waren verlässliche Partner. Wir hoffen, dass viele neue Gesichter in den Stadtrat gewählt werden, die gemeinsam mit uns eine Lösung für diesen Konflikt finden wollen. Der Konflikt ist ein politischer und kein baurechtlicher.
Baurechtlich hat auch Unfug diverse Wege zur rechtlichen Absicherung aufgezeigt. Wir haben die Gespräche mit allen demokratischen Fraktionen aufgenommen, weil wir jederzeit gesprächsbereit waren und es auch bleiben werden. Wir wünschen Michel weiterhin einen erfolgreichen Wahlkampf.
Liebe Grüße, Wohnprojekt Unfug.