Redebeitrag vom Lüneburger Bündnis Recht auf Stadt, gepsrochen auf den Versammlungen am 22. und 28. Mai 2021
Wir freuen uns, dass ihr heute erschienen seid, um mit uns für ein Recht auf Stadt zu demonstrieren und an die Pariser Kommune zu erinnern.
Aber warum machen wir eine Demonstration mit Bezug auf einen Kampf, welcher 150 Jahre zurückliegt? Die Antwort klingt platt, aber ist trotzdem wichtig: Für uns ist klar, dass Erinnern auch kämpfen heißt.
Wir erinnern heute an den Kampf, welchen die Kommunard*innen ausgetragen haben. Am 18. März 1871 haben die Pariser*innen die Regierung und ihre Armee aus Paris vertrieben und den ersten Versuch einer sozialistischen, anarchistischen Utopie unternommen. Es war der Versuch ein Leben abseits der grausamen Logik des Kapitalismus und der damit einhergehenden Unterdrückung zu ermöglichen.
Durch die Pariser Kommune konnten ausgeschlossene Menschen erstmals ein selbstbestimmtes Leben ausprobieren. Die Menschen organisierten sich in Räten und bekamen dafür die gleiche Bezahlung wie die Arbeiter*innen in den Fabriken. Die Nachtarbeit wurde abgeschafft und Wuchermieten gehörten für die Zeit der Kommune der Vergangenheit an. Die Arbeiter*innen verwalteten ihre Betriebe selber und es wurde eine freie Bildung ohne religiöse Einflussnahme ermöglicht, wobei auch erstmals Schulen und Ausbildungen für Mädchen zugänglich wurden. Der Staat war 72 Tage lang in Paris abgeschafft und die Herrschaft war nicht mehr formal.
Natürlich war nicht alles perfekt in der Kommune und wir wollen auch nicht glorifizieren, was schlecht war. Frauen hatten in der Kommune kein Mitbestimmungsrecht, denn in dem Rat der Kommune saßen zwar 90 Menschen, aber es waren alles Männer. Frauen mussten sich ihre Position nach wie vor hart erkämpfen, was sie aber auch taten. Sodass sie in Frauen- und gemischten Klubs heftig mitdebattierten. Und sie kämpften mit auf den Barrikaden und waren die ersten, die sich der Regierung den Weg stellten und sie vertrieben. Es darf also nicht vergessen werden, dass die Pariser Kommune ohne die Frauen gar nicht erst möglich gewesen wäre. Diese waren es die sich auf dem Montmartre im März 1871 dem Militär, die mit den Kanonen zurückkamen, in den Weg stellten und es schafften, dass sich Soldaten gegen ihre eigenen Offiziere wehrten und die Pariser Kommune so an Waffen für die Verteidigung kamen. Die Kommune dauerte nur 72 Tage. Der Staat und seine Schergen bekämpften die Kommunard*innen mit allen Mitteln. Denn die Idee und die Praxis der Kommune strahlte wie ein Leuchtfeuer in die ganze Welt. Revolutionär*innen kamen nach Paris, um sich an dem Aufbau einer befreiten Gesellschaft zu beteiligen und die herrschende Klasse bekam Angst vor weiteren Kommunen. Deshalb schlug die französische Regierung mit all ihren Mitteln zurück und schickte 130.000 Soldaten gegen die Pariser*innen. Es begann die Blutwoche im Mai und die Kommunard*innen verteidigten ihre Ideen und wurde dennoch von der schieren Übermacht des Staates zerschlagen.
Wir erinnern heute. Wir erinnern und Gedenken der Menschen, die im Kampf für eine befreite Gesellschaft während der Pariser Kommune gekämpft haben. An die 10.000nden Menschen, die in diesem Kampf eingekerkert, verschleppt und getötet wurden. Aber die Ideen leben weiter und deshalb kämpfen wir. Die Pariser Kommune hat gezeigt, dass es möglich ist den Staat abzuschaffen, den Kapitalismus abzuschaffen und eine befreite Gesellschaft zu erkämpfen.
Deshalb stehen wir heute hier. Wir wollen kämpfen für ein Recht auf Stadt jenseits von Verwertungslogik und Verdrängung. Eine Stadt gehört all jenen, die in ihr wohnen und nicht jenen, die sie sich aufgrund von Kapital kaufen und zu eigen machen wollen. Wenn es Platz für teure Geschäfte, Co-Working-Spaces und Kapitalist*innen gibt. Warum darf es dann keinen Platz für Jugendliche, Queers, migrantisierte Personen und Punks geben?
Der heutige Zustand der Städte ist nichts anderes als ein Hort des Kapitalismus. Die Bäckerstraße steht für diese Kommerzialisierung. Diese Straße ist von teuren Geschäften geprägt. Aufhalten kann sich mensch dort nicht und selbst für Straßenkunst muss dort Geld bezahlt werden. Diese Straße verdeutlicht, wer nicht mitmachen möchte beim Spektakel des sinnentleerten Konsums hat dort keinen Platz. Selbst wir als Bündnis mussten klagen, um durch diese Straße gehen zu dürfen. Doch noch deutlicher zeigt sich die Verwertungslogik daran, dass durch Wohnraum Gewinn mit Grundbedürfnissen gemacht wird. All jene, die sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten können, werden verdrängt und müssen an den Stadtrand ziehen oder in die Dörfer im Umland. Dort ist mensch dann isoliert, wenn die Personen kein eigenes Auto haben. Denn der ÖPNV ist einfach nur ein Witz. Die Stadt Lüneburg schmückt sich immer damit, dass sie ganz viele neue Wohnungen baut. Und das tut sie auch. Allerdings sind dies zum Großteil Eigentumswohnungen, welche sich nur reiche Menschen leisten können. Das ehemalige Kinderheim in der Innenstadt wird zu Wohnungen für Gastprofessor*innen ausgebaut, das Jugendzentrum soll zu einem Co-Working-Space werden und am Handwerkerplatz entstehen schicke Neubauwohnungen. Der versprochene Anteil an sogenannten Sozialwohnungen entsteht, aber am anderen Ende der Stadt. Es wird uns immer wieder und immer deutlicher vor Augen geführt, dass der Stadtpolitik die steigende Rendite mehr am Herzen liegt als die Bewohner*innen dieser Stadt. Doch wir haben keine Lust mehr darauf. Wir wollen den Ausverkauf der Stadt nicht mehr länger hinnehmen. Letztes Jahr haben wir um das Wohnprojekt Unfug gekämpft und die Stadt Lüneburg hat einen Teilsieg errungen, aber wir kämpfen weiter und lassen uns nicht verdrängen.
Wir werden weiter Streiken, Enteignen und Besetzen bis die Stadt uns allen gehört.